Soft Glossary

Gina Bartzok, Isabell Henninger

Kommunikationsdesign

Masterarbeit

Soft Glossary

Gina Bartzok, Isabell Henninger

sie/ihr

Könnt ihr euch und euer Projekt kurz vorstellen? Wir sind Isabell und Gina und haben bis Anfang 2023 beide an der HAW Kommunikationsdesign studiert. In diesem Rahmen ist das Projekt ‹.softGlossary› entstanden, welches unsere Master­arbeit bildet. Es untersucht das Verhältnis von analogen und digitalen Medien und geht der Frage nach, wie sinnvoll es ist, Webseiten mit Printobjekten zu vergleichen. Warum werden diese beiden Medien trotz ihrer offensichtlichen Unterschiede immer wieder in Beziehung zueinander gesetzt? Ist das Web eine Weiterentwicklung des Buches und wird es zu dessen Niedergang führen, wie schon häufig prophezeit wurde? Das Medium Buch steht wie kein anderes Objekt für den kulturellen Übergang in eine postdigitale Gesellschaft. Aber Papier ist nicht mehr die einzige Möglichkeit, Inhalte zu bewahren und zu verbreiten. Das Konzept des World Wide Web bietet völlig neue Möglichkeiten – unser Projekt erforscht genau diese. Das Ergebnis ist ein Buch und ein digitales Glossar in Form einer Website, welches die Ergebnisse unserer Recherche zusammenfasst und gleichzeitig anderen Designer*innen zur Verfügung stellt. Unter https://softglossary.space/ könnt ihr euch unser Projekt ansehen. Was macht das Thema ‹Coden› für euch besonders interessant? Seit einigen Jahren lässt sich ein Umschwung innerhalb der Designszene beobachten. Immer mehr Designer*innen erkennen und nutzen die Chancen von Code als Designwerkzeug. Besonders der Begriff des Creative Coding hat in den letzten Jahren an Popularität gewonnen. Dieser wird häufig mit Frameworks wie processing oder p5.js in Verbindung gebracht, die besonders unter Designer*innen und Künstler*innen aufgrund ihrer anfänger*innenfreundlichen Umgebung recht beliebt sind. Aber nicht nur die Verwendung dieser Frameworks, sondern auch eine gewisse Ästhetik, die ganz bewusst computergeneriert aussieht, wird häufig mit Creative Coding in Verbindung gebracht. Hingegen wird die Entwicklung von Websites selten unter diesem Begriff aufgeführt. Dabei ist Creative Coding eigentlich nicht auf ein bestimmtes Endprodukt festgelegt, sondern bezeichnet einen entdeckungsbasierten Prozess, der aus Erforschung, Iteration und Reflexion besteht und bei dem Code als primäres Medium verwendet wird. Unserer Ansicht nach wohnt nicht nur Creative Coding, sondern Coding im Allgemeinen immer auch ein gewisser kreativer Prozess inne, selbst wenn dabei ein im Vorfeld bereits definiertes Ziel verfolgt wird. Denn der Weg zu diesem Ziel verläuft selten linear und wirft in den meisten Fällen ständig Probleme und neue Fragestellungen auf, die eine kreative Lösung verlangen. Zudem kann allein der Aufbau des Codes auf unterschiedlichste Arten erfolgen und zudem die unterschiedlichsten Handschriften tragen. Code lässt sich somit bereits als eigenes kreatives Produkt betrachten. Coding ist unserer Ansicht nach deshalb nicht nur ein technisches Werkzeug, sondern kann wie Design als eine eigene Praxis und Denkweise betrachtet werden. Diese ist, analog zu Design, auf die Lösungsfindung fokussiert. Hierbei allerdings sehr stark von Technologie geprägt und auf diese ausgerichtet. Dabei ist Coding ebenfalls auf keine Form oder finales Produkt festgelegt – eine Website ist deshalb nur eines von vielen möglichen Anwendungsbeispielen. Auch der Aspekt, dass Coding als technisch und dementsprechend allgemein als eher männlich konnotierte Tätigkeit angesehen wird, im Vergleich zu Design, fanden wir superspannend. Software- und Web-Entwicklung ist ein durchaus lukratives Berufsfeld: Das Durchschnittsgehalt einer Entwickler*in liegt aktuell weit über dem einer klassischen Grafikdesigner*in. Obwohl es in der Designbranche durchschnittlich mehr Frauen als Männer gibt, existiert auch hier die Gender Pay Gap, was bedeutet, dass männlich gelesene Designer häufig mehr verdienen als weiblich gelesene Designerinnen. Betrachtet man dann, dass die am höchsten bezahlten Designstellen häufig im UX-Bereich liegen, in denen meistens ein gewisses Coding und Technikverständnis vorausgesetzt wird, kann die Fähigkeit zu coden als Designer*in also nicht nur als selbstermächtigend, sondern auch als emanzipierend angesehen werden. Das Wissen über Technologie mit dem Verständnis von Gestaltung zu verknüpfen, empfinden wir deshalb umso mehr als enorm bereichernd für die Designpraxis. Unser Projekt richtet sich deshalb bewusst an Designer*innen. Unser Ziel ist es dabei nicht nur Designer*innen für Coding zu begeistern, sondern zusätzlich einen Rahmen zur Sensibilisierung und Wertschätzung für die Gestaltung von Websites zu schaffen. Ein grundlegendes Verständnis von Webprogrammierung ermöglicht es Designer*innen über das, was sie von anderen Websites kennen und die Möglichkeiten, die durch Layout-Programme vorgegeben werden, hinauszudenken, wodurch sie Websites ganzheitlicher aus konzeptioneller Sicht betrachten können. Die visuelle Gestaltung unseres Glossars spiegelt dabei das thematische Spannungsfeld zwischen analog und digital sowie zwischen Grafikdesign und Webdesign wider. Wie hat sich die Recherche und der theoretische Teil eurer Arbeit gestaltet? Wir sind der Meinung, dass Print und Web viel voneinander lernen und sich gegenseitig bereichern können. Deshalb haben wir uns im theoretischen Teil unserer Masterthesis mit der geschichtlichen Entwicklung der beiden Medien auseinandergesetzt. Dazu zählt beispielsweise der schon häufig prognostizierte Niedergang des Buchs im Zuge der Digitalisierung oder das im Web implementierte Konzept des Hypertexts. Wir erachten die geschichtliche Beleuchtung beider Medien als sinnvoll, da sie zu großen Teilen die Gestaltung dieser beeinflussten. Um Prozesse, Zusammenhänge und Beziehungsverhältnisse von Medien besser verstehen zu können, haben wir uns tiefer mit Medientheorie beschäftigt. Als Kommunikations­designer*innen sind Medien essenzielle Werkzeuge des gestalterischen Tätigkeitsfelds. Denn Design ist nicht bloß die ästhetische Aufbereitung von Inhalten, sondern das Wissen darüber, welchen Einfluss die Gestaltung, die Wahl des Mediums und die Form der Aufbereitung auf die zu vermittelnden Informationen haben und wie unterschiedlich diese dadurch von Menschen rezipiert werden. Im Rahmen unserer Thesis haben wir einerseits versucht, eine Einführung und geschichtliche Zusammenfassung in das Gebiet der Medientheorie zu geben, aber auch konkret auf Thematiken und Theoretiker*innen einzugehen, die wir als relevant für unserer Fragestellung erachtet haben. So wird beispielsweise diskutiert, ob sich das Internet als Rhizom begreifen lässt und inwieweit die Semiotik im Zusammenhang mit Digitalität steht. Ein großes Themenfeld unserer Auseinandersetzung ist die Dimensionalität von Medien. In diesem Zusammenhang sind wir auf die Theorien von Sybille ­Krämer und Carlos Spoerhase eingegangen und haben beleuchtet, inwieweit dem Web, trotz seiner zweidimensionalen Oberfläche, Räumlichkeit innewohnt. Des Weiteren beschäftigten wir uns mit den Medientheorien von Friedrich Kittler und Marshall McLuhan. Wir erachten das theoretische Verständnis von Medien essenziell für die praktische Arbeit mit ihnen. Da diese Auseinandersetzung im Kontext der Kommunikationsdesign-Disziplin entstanden ist, haben wir selbstverständlich auch die Designprofession und das damit verbundene Berufsbild gesondert beleuchtet. Um die Entwicklung der Disziplin nachvollziehbar darstellen zu können, haben wir die mit den unterschiedlichen Medien verbundenen Positionen und visuellen Stile, wie beispielsweise Neomorphismus oder Webbrutalismus, erläutert. In einem eigenen Kapitel sind wir zusätzlich gesondert auf die Möglichkeiten und Chancen von Coding für die Designdisziplin eingegangen. In diesem Zusammenhang sind wir auch der Frage nachgegangen, warum Design und Coding heute so häufig als getrennte Disziplinen betrachtet werden. Wie ist euer Gestaltungsprozess? Wie seid ihr vorgegangen? Nachdem wir Anfang 2022 mit der Recherche begonnen haben, ist uns schnell klar geworden, wie umfangreich das Themengebiet rund um den Vergleich von analogen und digitalen Medien ist. Aus diesem Grund haben wir früh eine Struktur für unsere Masterthesis entwickelt und diese kontinuierlich erweitert, umstrukturiert und mit Inhalten gefüllt. Der gesamte Prozess vom Start der Recherchephase über das Schreiben der einzelnen Kapitel bis zur Abgabe des fertig gedruckten Buches hat insgesamt ein Jahr gedauert. Nachdem wir unsere Recherche abgeschlossen und erste Kapitel geschrieben hatten, haben wir damit begonnen uns mit der Konzeption unseres praktischen Projekts zu beschäftigen. Uns war schnell klar, dass wir entsprechend unseres Themas gerne eine Website gestalten und coden wollten, welche die gestalterischen Möglichkeiten des digitalen Publikationsmediums Web auslotet. Was wir genau auf dieser Website zeigen wollten, war uns jedoch lange unklar. Nach einigen verworfenen Ideen sind wir letztendlich auf die Idee eines digitalen Glossars gekommen, welches die Inhalte unserer Recherche zusammenfasst, aufbereitet und anderen Designer*innen zur Verfügung stellt. Je länger wir uns mit der Form des Glossars und seiner digitalen Darstellung auseinandersetzten, desto passender fanden wir sie. Gerade die Möglichkeit, Inhalte durch Hyperlinks untereinander in Verbindung zu setzen, aber auch auf externe Quellen zu verweisen, überzeugte uns. Da das Web prädestiniert für nicht-lineares Lesen ist, funktioniert ein Glossar mit kurzen Artikeln, deren Sortierung keiner festen Ordnung folgt, besonders gut. Artikel können dabei nicht nur inhaltlich untereinander verknüpft, sondern auch gefiltert und durchsucht werden. Dadurch gibt es viele verschiedene Optionen, sich durch das Glossar zu bewegen. Zusätzlich beschlossen wir, interaktive Komponenten und Code-Snippets in Artikel miteinzubinden. Des Weiteren beinhaltet unsere Website eine Inspirationsseite, an der mithilfe von Are.na kollaborativ mitgearbeitet werden kann. Diese veranschaulicht auf visueller Ebene die gestalterischen Möglichkeiten und Chancen von Coding im Kontext des Webs. An der Gestaltung und Umsetzung der Website haben wir knapp ein halbes Jahr gearbeitet. Nachdem wir erste Entwürfe und Click-Dummies in Figma erstellt haben, entstand die programmatische Umsetzung kollaborativ mithilfe von Git. Als Frameworks haben wir Svelte benutzt und Contentful als CMS angebunden, welches das Anlegen von Artikeln vereinfacht. Für die dreidimensionalen Ascii-Animationen, die einen Verweis auf die ersten grafischen Bildelemente auf Command Line Interfaces darstellen, haben wir threeJs verwendet. Neben der gestalterischen und technischen Umsetzung der Website war das Schreiben der Glossar-Artikel ein wichtiger Bestandteil unseres Projekts, welches keineswegs abgeschlossen ist, sondern ständig erweitert wird. .SoftGlossary beinhaltet wie bereits erwähnt eine Insprationsseite – wir freuen uns immer besonders, wenn Menschen hier eigene Websites hinzufügen und damit zu unserem Projekt beitragen und es diverser machen. Was ist euch besonders wichtig an eurem Projekt? Mit unserem Projekt möchten wir Designer*innen dazu ermutigen, nicht nur die Visualität des Webs, sondern auch den Umgang mit diesem Medium bewusst zu gestalten. Deshalb enthält .softGlossary einerseits die Grundlagen der Webprogrammierung und ihrer gestalterischen Möglichkeiten, und gleichzeitig Konzepte, Trends, Tools und Fachbegriffe rund um das Web. Wir wollen zeigen, wie all diese Themen miteinander verknüpft sind und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Das Web ist ein großartiges Medium für Designer*innen! Wir wollen sie neugierig machen, die unendlichen Möglichkeiten, die es bietet, zu erkunden und die Grenzen des Webdesigns auszuloten. Und vor allem wollen wir zeigen, dass das Programmieren einer Website nicht hart und technisch sein muss, sondern kreativ und mit Spaß verbunden sein kann. Vor welche Herausforderungen hat euch das Projekt gestellt? Zeitliche Absprachen und das Einhalten unserer selbst definierten Deadlines war stets ein Balance-Akt, welcher vor allem der Tatsache geschuldet war, dass wir beide neben dem Studium bereits gearbeitet haben. Auch wenn es deshalb manchmal schwierig war Termine zu finden, an denen wir gemeinsam an unserem Projekt arbeiten konnten, empfanden wir die Arbeit im Team als extrem bereichernd. Entscheidungen auf sowohl inhaltlicher als auch gestalterischer Ebene nicht allein treffen zu müssen, hat uns im Prozess enorm geholfen. Unsere Zusammenarbeit war geprägt vom ständigem Austausch, durch den wir unsere unterschiedlichen Ideen und Gedankengänge zusammenfügen und erweitern konnten. Aber auch das stetige Hinterfragen, Diskutieren und Prüfen unserer konzeptionellen und gestalterischen Entscheidungen sowie unsere unterschiedlichen Blickwinkel, Ansichten und Herangehensweisen haben unser Projekt maßgeblich geformt. Den kollaborativen Aspekt des Schreibens unserer Thesis haben wir als Element in die Gestaltung unserer Thesis integriert. Durch html-tags mit unseren Initialen zeigen wir hier an, von wem welche Sätze stammen. Dadurch wird deutlich, dass wir eben nicht wie viele andere Abschlussarbeiten unsere Kapitel strikt getrennt haben, sondern die Erkenntnisse der Recherche stets versucht haben miteinander zu verweben und deshalb häufig gemeinsam an Kapiteln geschrieben haben. Wir sind überzeugt davon, dass diese Form der Zusammenarbeit unserer Thesis eine besondere Qualität hinzufügt.