Miscellaneous Matter

Katharina Wanke

Kommunikationsdesign

Bachelorarbeit

Miscellaneous Matter

Katharina Wanke

sie/ihr

Kannst du dich und dein Projekt kurz vorstellen? Miscellaneous [zusammengesetzt aus Elementen unterschiedlicher Art; etwas von gemischter Zusammensetzung] Matter [Substanz, aus der etwas gemacht ist]: Kategorisierung ist omnipräsent in unserem Denken und Sein und hilft, die Komplexität der menschlichen Erfahrungswelt zu navigieren. Dies suggeriert eine kollektive, universelle Matrix, die unsere Beziehungen untereinander und zu unserer Umwelt bestimmt, indem sie Wissen sortiert, Sprache formt und Gestaltung beeinflusst. Doch wer oder was entscheidet über diese vermeintlich objektive Struktur? Kann solch eine Matrix überhaupt allgemeingültig sein oder ist sie vielmehr informiert von patriarchalen, kolonialen, kapitalistischen und ableistischen Erben? Meine Arbeit untersucht die kognitiven und gesellschaftlichen Dimensionen von Kategorisierung sowie die ihr zugrunde liegenden Machtstrukturen und betrachtet dabei all das, was überbleibt. Denn offenbar fällt immer etwas durch das Raster: Jede*r kennt die berüchtigte Kramschublade, in der alles gesammelt wird, was nirgendwo sonst hingehört und sogar Gefahrengüter, die nicht eindeutig klassifizierbar sind, werden der Kategorie ‹miscellaneous› zugeordnet. Es ist ein mystischer Ort, an dem die wohl sonderbarsten Dinge zusammenkommen, vereint nur durch ihr Schicksal, nirgendwo sonst Platz zu finden. Aber was hat das mit Gestaltung zu tun? Nun ... alles! Eine Untersuchung der Designgeschichte zeigt die enge Verstrickung von Design und kategorischem Denken auf. Wie beeinflussen die zugrunde liegenden Machtstrukturen der System-Matrix nicht nur menschliches Verhalten, sondern auch Designpraktiken? Und wie kann ‹the miscellaneous› eine Quelle der Inspiration und des Empowerments sein? Kann all das, was überbleibt, der fruchtbare Kompost sein, der aktuelle Diskurse im Grafikdesign beflügelt? Aus der systemtheoretischen Spekulation erwächst eine experimentell-gestalterische Arbeit, die Werte wie Diversität, Non-Linearität, Gleichzeitigkeit und Ambiguität in eine Gestaltungssprache übersetzt. Eine Mixed-Media-Plakatreihe fordert gestalterische Konventionen heraus und legt das fruchtbare Potenzial frei, das eine ‹Miscellaneous Matter› eröffnet. Kannst du uns von deinem Arbeits- und Gestaltungsprozess erzählen? Wie bist du vorgegangen? Die Gestaltung in diesem Projekt war extrem prozessorientiert, intuitiv und materialgeleitet. Nach meinem Praktikum bei Studio Dumbar, bei dem alles rein digital und in Vektor-Grafiken gestaltet wurde, hatte ich einen regelrechten Durst nach Materialauseinandersetzung und Gestaltung, die im realen Raum passiert. Die Plakatentwürfe sind in einem Mix aus analogen und digitalen Entwurfsmethoden erwachsen und die Umsetzung erfolgte zu hundert Prozent analog. Durch die Verwendung und Mischung unkonventioneller Materialien und Techniken wie zum Beispiel Knete, Window-Colour und Plexiglas wurde meine Gestaltung konstant von spontanen, zufälligen und teilweise unvorhergesehenen Reaktionen des Materials bestimmt. Die Farbe, die ich zeigen wollte, druckte nicht auf dem Stoff, den ich nutzen wollte → Ich traf eine andere Farbentscheidung. Der Folien-Lasercut bedurfte einer Mindest-Punktgröße → Ich gestaltete den Entwurf um und glich alle Linienstärken aus. Pappe zerriss und wölbte sich → Es entstanden Texturen an Stellen, die als glatte Oberflächen gedacht waren. Die Knete ließ sich nicht gleichmäßig auf das Plexiglas aufbringen → Es entstanden Luftlöcher und Texturen. All diese ‹happy accidents› tragen zu einer Dimensionalität und Greifbarkeit der Arbeiten bei, die im digitalen Raum nicht hätten entstehen können. Die Auseinandersetzung mit dem Material erforderte eine eigenwillige und charakteristische Gestaltungssprache. Wer inspiriert dich? Der praktischen Arbeit lag eine tiefe philosophische und systemtheoretische Auseinandersetzung zugrunde, die meinen gesamten Prozess maßgeblich beeinflusst hat. Dabei war ich sehr inspiriert von Autor*innen wie Donna Haraway, Michel Foucault, Yasmine Ostendorf-­Rodríguez oder Sheila Levrant de Bretteville und vielen mehr. Durch diese inhaltliche Auseinandersetzung stieß ich auf viele Positionen in der Gestaltung, die meinen Prozess inhaltlich und gestalterisch inspirierten. Spannend waren dabei zum Beispiel das Glossary of Undisciplined Design oder die Arbeiten von Fraser Muggeridge, The Rodina oder Natalie Baxter. Vor welche Herausforderungen hat dich dein Projekt gestellt? Tatsächlich hat der Gestaltungsprozess einfach sehr viel Spaß gemacht und alle Herausforderungen, vor die mich die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Materialien gestellt hat, waren willkommen und spannend. Am Ende war vielleicht die größte Schwierigkeit das Format: Um den Arbeiten und auch dem Material genug Fläche zu bieten, entschied ich mich für DIN A0. Diese Entscheidungen war absolut elementar und richtig für diese Art von Arbeit, jedoch hatte ich bisher noch nie in diesem Format gestaltet und erst recht nicht analog. Ich habe die Fläche anfangs ein wenig unterschätzt und hatte gegen Ende doch sehr starken Zeitdruck und mehr Materialkosten als ursprünglich geplant. Was ist dir besonders wichtig an deinem Projekt? In einer zunehmend digitalen und dadurch glatten Welt des Grafikdesigns vermisse ich Mehrdimensionalität und Tiefe in gestalterischen Arbeiten. Ich hoffe, dass meine unkonventionelle und eigenwillige Arbeit dem etwas entgegensetzt und zeigt, dass nicht-digitale Gestaltungsprozesse und Ergebnisse relevant und notwendig sind. Meine Plakatreihe soll inspirieren und all denen Hoffnung machen, denen es so geht wie mir und die sich eine andere Perspektive auf Grafikdesign wünschen.