►Kannst du dich und dein Projekt kurz vorstellen? Ich bin freischaffende Kostümdesignerin in Hamburg und habe im Sommersemester 2023 meinen Master in Kostümdesign an der HAW abgeschlossen und ebenda meinen Bachelor 2019. Da ich durch meine Arbeit, die hauptsächlich im Musiktheater stattfindet und mein Studium immer wieder mit Privilegien und elitären Machtstrukturen konfrontiert bin, lag es mir nahe, eine Arbeit hierüber künstlerisch als auch wissenschaftlich zu verfassen. So entstand ‹Elitär. Dresscodes in Clubs und elitären Vereinen›. ►Warum ist das Thema, dass du in deiner Arbeit behandelst, so relevant für dich? Aufgewachsen in Bonn, der ehemaligen Bundeshauptstadt, hatte ich schon früh Kontakt zu Diplomatenkindern und Personen aus finanziell gut gestellten Familien. Immer wieder stieß ich auf den vermeintlichen Elitebegriff. Doch was genau definiert die Elite und worin liegen ihre besonderen Merkmale? Wer bezeichnet sich selbst als Teil dieser Elite und wer darf sich dazu zählen? Der Duden erklärt den Begriff Elite als ‹eine Auslese von Menschen mit besonderer Befähigung, besonderen Qualitäten; die Besten, Führenden; Führungsschicht, -mannschaft›. Inwieweit stimmt diese Definition mit den realen Verhältnissen heute überein? Filme wie Woody Allens ‹Match Point› oder Bücher von Bret Easton Ellis wecken stets unsere Neugierde für die nahezu unerreichbare Upperclass. Doch was genau fasziniert so viele Menschen an dieser sozialen Gruppe? Ist es die Exklusivität, die mit ihr einhergeht, oder spiegelt sich darin vielleicht auch Neid wider? Meine Arbeit ist anhand verschiedener elitärer Vereine und Clubs diesen Fragen nachgegangen. Meine Arbeit legt besonderen Wert auf den sozialen Hintergrund dieser Gruppen und untersucht die These, dass die Elite eher durch Vererbung als durch eigene Leistung erreicht wird. Durch die überspitzte Darstellung werden Charaktere karikiert, dekadente Strukturen offengelegt und das von mir diskutierte Ausbeutungssystem dieser Gruppierungen dargestellt. Oftmals neigen bestimmte gesellschaftliche Schichten dazu, sich auf ihren Statussymbolen auszuruhen. Die überspitzte Darstellung bringt die Kernproblematik des diskutierten Ausbeutungssystems klar zum Ausdruck. ►Was ist dir wichtig an deinem Projekt? Mir ist besonders die Aufschlüsselung sozialer Hierarchien und das Bewusstsein privilegierter Gegebenheiten wichtig. Gleichzeitig versuche ich jedoch, künstlerisch den Witz und Charme einer überspitzten Darstellung von vermeintlicher Eliten ohne das Trivial eines Fingerzeigs einzufangen. ►Was möchtest du mit der Arbeit erreichen? Mit meiner Arbeit möchte ich das Groteske in der Beobachtung hervorrufen und in jeder Figur die Wahrheit, Überspitzung und Zweifel veranschaulichen. Es ist mir wichtig, dass meine künstlerische Arbeit nicht darauf abzielt, jemanden vorzuführen, sondern vielmehr die Form der Überspitzung nutzt, um die Dekadenz und die Vorteile einer Mitgliedschaft in elitären Kreisen zu hinterfragen. ►Was hast du während der Arbeit an deinem Projekt gelernt? Auch wenn mir vieles davon bereits bewusst war, habe ich durch meine Recherche und Arbeit weitere Einblicke über nicht vorhandene Chancengleichheit und Exklusivität erhalten. Mir ist klar geworden, dass der Zugang zu bestimmten Positionen, elitären Kreisen, Clubs und Vereinen von privilegierten finanziellen und sozialen Verhältnissen abhängig ist. Obwohl ich nicht für die Abschaffung solcher Vereine bin, wäre es mein Wunsch, dass die sogenannte Elite dazu beiträgt, diese Barrieren zu überwinden und sicherzustellen, dass Menschen mit geringerem Wohlstand die gleichen Chancen erhalten wie sie selbst. In meinen Augen sollten Wissen und Leistung höher geschätzt werden als geerbte oder durch Reichtum erworbene Privilegien. ►Würdest du heute etwas anders machen? Ich habe mich besonders auf teure Clubs und Vereine beschränkt. Ich hätte vielleicht noch einen Charakter einer Kunsthochschule darstellen können, da die Feststellung meines eigenen Privilegs mir gezeigt hat, dass es noch weitere Aspekte gibt, die ich in meiner Arbeit berücksichtigen könnte. ►Welche Rolle spielt das Experimentieren in deinem Arbeitsprozess? Eine große. Ich probiere gerne mit Farben und vor allem Stoffen aus. Ich verstehe mich in dieser Arbeit als Kuratorin von Kostümen. Ich habe bestehende Kleiderordnungen ausgewählt und sie zur Überspitzung miteinander verbunden. Einige Kleidungsstücke habe ich selbst genäht oder bearbeitet. Die wichtigste Arbeit schien mir jedoch darin zu liegen, die gewählten Teile auf stimmige Weise zu kombinieren, um so ansprechende Kostüme für den*die Betrachter*in zu erschaffen. Eine große Freude war es mir, bestehende Kleidungsstücke insoweit zu schmücken, dass sie absurd übertrieben aussehen und in ihrer Größe und Masse für ein Bild der Dekadenz stehen.
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